Schleusenwärter ist ein Nebenjob mit nicht gerade geringem Aufwand. Und reich wird man davon auch nicht. Aber er ist wichtig. Denn es geht um die Borsflether Verlath-Schleuse, über die das im Bereich der Krempermarsch auf einer Fläche von rund 1400 Hektar anfallende Niederschlagswasser über die Krempau zur Stör abgeführt wird.
Reimer Lipinski (rechts) war fast 30 Jahre Schleusenwärter und hat den Nebenjob jetzt an Ole Hösel übergeben. Foto: Jürgen Kewitz
Dort hat es jetzt einen Wachwechsel gegeben, denn Reimer Lipinski (84) wollte nach fast 30 Jahren Schleusenwärtertätigkeit nicht mehr tagein, tagaus ein Auge auf die sich zwischen der Stör und der Krempau befindliche Schleuse haben. Das übernimmt jetzt der 38-jährige Ole Hösel. Sein Großvater hatte den Job 1958 von Hans Ruhser übernommen und bis 1994 ausgeführt.
Schleusentore werden von Gezeiten bedient
Heute ist Ole Hösel nur noch gefordert, wenn entweder eine Sturmflut droht oder die Krempau nach Starkregenfällen viel Wasser führt. „Dann muss ich natürlich häufiger nachschauen, ob alles funktioniert hat“, erzählt der Kraftfahrzeug-Mechaniker. Bei den Schleusentoren handelt es sich um sogenannte Stemmtore, die quasi von den Gezeiten bedient werden. Wenn also das mittlere Tidehochwasser der Stör ansteigt, werden die Tore automatisch zugedrückt und bei Ebbe öffnen sie sich dann wieder. Das habe bislang immer geklappt.
Persönlich Hand anlegen muss der Schleusenwärter nur, wenn die Krempau während einer Hitzeperiode im Sommer mal extremes Niedrigwasser führt. Was ja infolge des Klimawandels inzwischen häufiger vorkommt. „Dann kann ich die Stemmtore manuell öffnen, wobei inzwischen ein Akkuschrauber die Handkurbel abgelöst hat“, verdeutlich Ole Hösel.
1907 war die heutige Verlath-Schleuse von der Firma Peters-Bau fertiggestellt worden. Foto: Dorf-Chronik
Erste Verlath-Schleuse lag gegenüber der Gastwirtschaft „Zum Aukrug“
Die damals von 60 Arbeitern der Firma Peters-Bau gebaute Schleuse wurde 1907 eingeweiht. Vorher zweigte die alte Au im Deichvorland der Stör etwa 80 Meter vor dem heutigen Bauwerk ab und führte eingedeicht in einem großen Bogen in Richtung der heutigen Gastwirtschaft von Thorsten Brügmann. Dort, gegenüber der Gastwirtschaft „Zum Aukrug“, befand sich damals die erste Verlath-Schleuse. Und die hatte in Zeiten schlechter Straßenverhältnisse bis nach Krempe eine wichtige Stellung.
Reimer Lipinski erzählt:
„Bis weit in das 20. Jahrhundert ist so manches kleine Schiff von Elbe und Stör kommend über die Au bis zur Borsflether Mühle sowie der Firma Peters-Bau und den Kremper Lederwerken geschippert.“
Reimer Lipinski
Schleusenwärter
Aufseher der Schleuse sei meistens der Wirt der an der Brücke liegenden Wirtschaft „Zur Verlathschleuse“ gewesen. Durch die neue 4,60 Meter breite Schleuse entstand zwischen Außendeich und altem Bauwerk übrigens nicht nur ein kleines Hafenbecken, wo nicht nur Schiffe anlegten. „Dort haben wir Kinder auch immer gebadet“, erinnert sich Reimer Lipinski. Heute sind auf der Krempau eher Kanuten oder Stand-Up-Paddler bestenfalls bis nach Süderau unterwegs. Die „Badeanstalt“ gibt es auch nicht mehr.
Vielleicht das letzte Bauwerk seiner Art
Und die Verlath-Schleuse? Sie wird es wohl auch noch in einigen Jahrzehnten geben. Schließlich ist sie unverzichtbar. Und damit auch der für den Deich- und Hauptsielverband Krempermarsch tätige Borsflether Schleusenwärter. „Weil anderswo das Wasser meist gepumpt wird, ist unser Bauwerk vielleicht das letzte seiner Art“, will Ole Hösel nicht ausschließen.